In den Medien

Warum Korruption so schädlich ist

Ein starker Fokus auf die Bekämpfung der Korruption ist von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, den aktuellen Krisen auf der Welt zu begegnen.

von William J. Burns Und Michael Mullen
Herausgegeben von
Project Syndicate
 on 6. Mai 2016

Source: Project Syndicate

Papst Franziskus bezeichnete Korruption als den „Wundbrand eines Volkes.“ US-Außenminister John Kerry nannte sie ein „radikalisierendes Element“, da sie „das Vertrauen in legitime Autorität zerstört.“ Und der britische Premierminister David Cameron beschrieb Korruption als „einen der größten Feinde des Fortschritts unserer Zeit.“

Korruption ist - einfach ausgedrückt - der Missbrauch eines öffentlichen Amts für persönliche Vorteile. Führende Politiker erkennen zunehmend, dass Korruption eine Bedrohung für Entwicklung, Menschenwürde und die weltweite Sicherheit darstellt. Auf dem Anti-Korruptionsgipfel in London am 12. Mai werden die Spitzenpolitiker der Welt – gemeinsam mit Vertretern aus Wirtschaft und der Zivilgesellschaft – eine einzigartige Gelegenheit vorfinden, entsprechend dieser Erkenntnis aktiv zu werden.

Korruption ist in der ganzen Geschichte und quer durch alle Kulturen verpönt. Sie besteht seitdem es Regierungen gibt, aber wie auch andere Verbrechen ist die Tatbegehung in den letzten Jahrzehnten zunehmend raffinierter geworden, wobei dies verheerende Auswirkungen auf das Wohlergehen und die Würde zahlloser unschuldiger Bürger zeigte.

Zunächst beschädigt Korruption die Aussichten auf Entwicklung. Liegt beispielsweise grassierender Betrug im öffentlichen Beschaffungswesen vor oder Diebstahl von Förderabgaben im Bereich natürlicher Ressourcen oder mutiert der Privatsektor zu einem Monopol eng vernetzter Günstlinge, hindert dies die gewöhnlichen Bürger, ihr Potenzial auszuschöpfen.

Doch Korruption hat auch andere, weniger offensichtliche Auswirkungen. Müssen die Bürger zusehen, wie sich ihre politischen Entscheidungsträger auf Kosten der Bevölkerung bereichern, nehmen Frustration und Wut zu – Gefühle, die zu Unruhen und gewalttätigen Konflikten führen können.

Zahlreiche der aktuellen internationalen Sicherheitskrisen haben ihren Ursprung in dieser Dynamik. Die Empörung über das willkürliche Verhalten eines korrupten Polizeibeamten trug dazu bei, dass sich im Jahr 2010 ein tunesischer Gemüsehändler selbst verbrannte und damit Revolutionen in der gesamten arabischen Welt auslöste. Die Demonstranten forderten, dass einzelne Minister verhaftet und vor Gericht gestellt werden und sie verlangten die Rückgabe gestohlener Vermögenswerte – doch dazu kam es in den seltensten Fällen.

Dort wo Regierungsvertreter Reichtum und Straffreiheit genießen (und vielfach demonstrativ zur Schau stellen) nutzen extremistische Bewegungen – wie die Taliban, Boko Haram und der Islamische Staat – die Wut der Bürger aus. Die einzige Möglichkeit, die öffentliche Integrität wiederherzustellen, so behaupten diese Gruppen, läge in der Anwendung eines rigiden persönlichen Verhaltenskodex. In Ermangelung anderer realisierbarer Lösungen – und ohne die Möglichkeit des friedlichen Widerstands – wirkt eine derartige Diktion zunehmend überzeugend.

Es ist klar, dass Korruption bekämpft werden muss. Weniger klar ist, wie das funktionieren soll. In einer Welt konkurrierender Anforderungen scheinen korrupte Regierungen unverzichtbare Dienste zu leisten. Die eine entsendet Soldaten, um den Terrorismus zu bekämpfen; die andere liefert lebensnotwendige Energie oder Zugang zu Rohstoffen. Führende Politiker müssen zwangsläufig um schwierige Kompromisse ringen.

Um im Einzelfall den richtigen Ansatz festzulegen, gilt es für die Regierungen das Problem gründlicher analysieren und das bedeutet auch eine verbesserte Erfassung nachrichtendienstlicher Informationen und Daten. In einer Sammlung von Aufsätzen unter dem Titel Against Corruption, die begleitend zum Gipfeltreffen erscheint, argumentiert die Sicherheitsexpertin Sarah Chayes, dass es sich bei Korruption um eine strukturelle Praxis handelt. Sie ist das Werk komplexer Netzwerke, die dem organisierten Verbrechen nicht unähnlich sind (und dem korrupte Akteure oftmals angehören). Regierungen müssen diese Aktivitäten und deren Folgen auf die gleiche Art untersuchen wie sie dies bei grenzübergreifenden kriminellen oder terroristischen Organisationen tun.

Mit derartigen Analysen ausgestattet, gilt es für Geberländer die Hilfe so zu strukturieren, dass sie das Korruptionsrisiko verringert. Militär- oder Entwicklungshilfe ist nicht unpolitisch. Die entsprechenden Programme müssen so konzipiert werden, dass die finanziellen Mittel nicht in die Hände kleptokratischer Eliten gelangen. Das heißt, dass man die Bemühungen im Kampf gegen die Korruption nicht mehr an unzureichend finanzierte Spezialisten delegieren kann. Vielmehr müssen diese Bestrebungen im Mittelpunkt der Planungen größerer Entwicklungsinitiativen oder des Verkaufs kostspieliger Waffensysteme stehen. Die Regierungen der Empfängerländer haben zu verstehen, dass der Finanzfluss zum Erliegen kommt, wenn sie die Mittel weiterhin verschwenden oder stehlen.

Tatsächlich muss die Interaktion zwischen westlichen Vertretern und ihren Pendants in den Entwicklungsländern von Information über Korruption und deren Folgen geleitet sein. Die beiden Ministerien, in denen wir tätig waren – das US-Außenministerium und das amerikanische Verteidigungsministerium – legen großen Wert auf den Aufbau von Beziehungen. Diplomaten sind auf diese Beziehungen angewiesen, um nationale Interessen zu verfolgen und professionelle Verbindungen zwischen Militärbediensteten sind vielfach die einzigen Kanäle, um politischen Stürmen zu trotzen. Dennoch sollten Diplomaten und hochrangige Militärs bereit sein, einen Schritt zurückzutreten, wo dies angebracht erscheint und ihre Interaktionen an Bedingungen zu knüpfen sowie verfügbare Einflussmöglichkeiten wahrzunehmen – auch um den Preis eines zornigen Gegenübers.

Wie allerdings die jüngsten Enthüllungen über Anbieter von Briefkastenfirmen oder die Bestechung durch Vermittler zeigen, ist ein großer Teil der wahren Einflussmöglichkeiten im eigenen Land zu finden – in den einheimischen Finanz- und Immobilienbranchen, in PR-Firmen und Anwaltskanzleien, die das Image von Kleptokraten aufpolieren sowie an den Universitäten, wo die Sprösslinge korrupter offizieller Vertreter ausgebildet werden und wo um deren Zuwendungen gebuhlt wird. Die Anklage der Vertreter des internationalen Fußballverbandes FIFA unter Anwendung des amerikanischen Gesetzes zur Verfolgung internationaler Kriminalität, dem Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act (RICO), zeigt, wie man mit westlichen Mitteln die Korruption unter ausländischen Funktionären eindämmen kann.

Ein weiteres wichtiges Instrument im Kampf gegen die Korruption ist die technologische Innovation. Sie verringert die Gelegenheiten zu Fehlverhalten, verbessert die Möglichkeiten der Bürger, auf illegale Praktiken zu verweisen und steigert Transparenz sowie Rechenschaftspflicht der Regierungen. In einigen Bereichen sind entsprechende Bestrebungen im Gange – von der elektronischen Wählerregistrierung bis hin zu elektronischen Zahlungen für Beamte. Obwohl Technologie kein Allheilmittel darstellt, so kann sie in Kombination mit klugen politischen Reformen sehr wohl einen sinnvollen Beitrag im Kampf für gute Regierungsführung leisten.

Keiner dieser Vorschläge wird leicht umzusetzen sein. Aber ein starker Fokus auf die Bekämpfung der Korruption ist von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, den aktuellen Krisen auf der Welt zu begegnen. Unsere Hoffnung besteht darin, dass auf der bevorstehenden Konferenz in London die so dringend notwendige Einigkeit und Entschlossenheit sowie ein Bekenntnis zu aktiven Maßnahmen zutage gefördert werden.

Dieser Artikel wurde ursprünglich auf Project Syndicate veröffentlicht.

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